Kaum zeigen sich die ersten Sonnenstrahlen, verwandelt sich Lindenbach schlagartig in ein Freiluft-Bauprojekt. Der Frühling kommt hier nicht auf leisen Sohlen – er rollt mit der Schubkarre an! Im ganzen Dorf wird geschippt, geschraubt, geschnitten und gestrichen, dass selbst der Osterhase kaum noch einen ruhigen Haken schlagen kann.
In den Gärten herrscht emsiges Treiben. Die Motorsensen röhren, als würde irgendwo ein Motorradrennen stattfinden, und aus jedem zweiten Vorgarten steigt Rauch auf – kein Brand, keine Sorge – nur das erste Angrillen. Der Nachbar zur Rechten bringt seine Hecke auf Nanometermaß, während der Nachbar zur Linken verzweifelt versucht, seinen Rasenmäher nach dem Winterschlaf wieder zum Leben zu erwecken. Spoiler: Es endet meist mit einem lauten Fluch und dem Kauf eines neuen.
Auch der Dorftratsch erwacht aus dem Winterschlaf. Die Nachbarn treffen sich wieder – entweder über den Gartenzaun hinweg oder beim Straßenfegen mit Besen in der einen und Kaffeebecher in der anderen Hand., tut das meist nur zur Tarnung – in Wahrheit wird dabei investigativ nachgefragt: „Hast du schon gehört? Gerd hat jetzt so eine Solaranlage mit App.“ – „App? Ich hab nicht mal Empfang im Wohnzimmer!“ Und schon sind wir mittendrin in der großen Frühjahrsanalyse.
Und was ist los im Dorf? Oh, einiges! Das neue Umspannwerk, das für Stirnrunzeln und Spannung sorgt – im wahrsten Sinne. Das geplante Batteriespeicherwerk, das sogar schon den Weg in die Zeitung gefunden hat. Und natürlich das Neubaugebiet, in dem aktuell mehr gebuddelt wird als im Sandkasten hinterm Kindergarten. Ob es wirklich bis zum Sommer fertig ist und die Preise? Sagen wir mal so: Wer da bauen kann, hat entweder Lotto gespielt oder sehr viele Flaschenpfandbons gesammelt.
Früher – ja, früher, da lief das alles noch ein bisschen anders. Da stand man abends mit einer Flasche Bier auf dem alten Pfeiler vorm Gartenzaun und ließ den Tag Revue passieren. Oder, noch besser: Kein Handy piepste, kein WhatsApp, keine Push-Nachrichten. Man redete einfach. Über das Wetter, den Bürgermeister, den letzten Spieltag vom TSV Lindenbach oder den Klatsch aus der Nachbarschaft. Und wenn es hoch herging, auch mal über die große Politik – meistens aber eher über den neuen Aufsatz vom Rasenmäher oder ob die Bohnen dieses Jahr wohl was werden. Oder vielleicht die Frage: „Na, hat dein Rasen dieses Jahr auch wieder Moos?“
Das war die gute alte Analogzeit: drei Fernsehprogramme, ein Radio mit Rauschen und ganz viel echte Begegnung.
Und obwohl heute alles ein bisschen schneller, vernetzter, technischer und digitaler ist – aber irgendwie fehlt auch manchmal genau das: ein freundliches „Moin“, einfach mal wieder stehen bleiben und klönen, ein offenes Ohr und das gute Gefühl, dass jemand da ist, wenn man mal eine Leiter, einen Akkuschrauber oder einfach ein bisschen Gesellschaft braucht. Denn eines hat sich nicht geändert: Das Lindenbach lebt – und das Miteinander macht den Unterschied.